Die Begegnung mit Pablo Escobar
Täglich explodieren Autobomben in den Grossstädten (Medellín, Cali oder in der Hauptstadt Bogotá). Die Anschläge richten sich gezielt an die Polizei, die Regierung oder an die Medien (v.a. Zeitungen). Tausende Polizeibeamte, Journalisten, Bezirks- und Oberrichter und normale Bürger haben bei diesen Anschlägen ihr Leben verloren. Journalisten und Hochbeamte werden entführt und später ebenfalls getötet. Im ganzen Land herrscht Chaos und die Regierung ist gegenüber den Kartellen machtlos. Das Medellín Kartell prägte damals das Leben der Menschen und deren Alltag. Den US-Behörden gefällt der rasante Aufstieg und die täglich wachsende Mitgliederzahl des Kartells ganz und gar nicht.
Das Drogenkartell von Medellín, welches damals auch „Los Extraditables“ genannt wird, ist eine gefährliche und skrupellose Organisation. Der Anführer dieser Organisation ist Pablo Emilio Escobar Gaviria. Die grösste Angst des Medellín Kartells ist die Auslieferung an die USA.
Politisch gewinnt die “Neue Linke Partei” zu dieser Zeit immer mehr an Macht. Ihr Hauptanliegen ist es Kolumbien von den Drogenkartellen zu befreien und die Barone an die USA auszuliefern. Der Präsident des Landes kann die Auslieferung mit der Zustimmung des Bundesgerichtes veranlassen. Die Kartelle führen deshalb den Krieg unter dem Motto: „Lieber ein Grab in Kolumbien als ein Gefängnis in USA“. Bei den Wahlen 1989 kommt der Top-Kandidat der Präsidentschaftswahlen, Luis Carlos Galan, bei einem Attentat ums Leben. Galan hat gegen die Drogenkartelle und insbesondere für die Auslieferung der Verbrecher gekämpft. Nach seinem Tod stellt die “Neue Liberale Partei” einen neuen Kandidaten zur Wahl des Präsidenten auf. Cesar Gaviria übernimmt die Führung und wird wie sein Vorgänger zum Top-Kandidaten. Im Jahr 1989 wird Gaviria fast Opfer eines Attentats. Das Kartell von Medellín hat in einem Flugzeug der Avianca Fluggesellschaft eine Bombe platziert. Nach Information des Kartells sollte sich Cesar Gaviria an Bord dieses Fluges befinden. Die Bombe detonierte, jedoch befand sich Cesar Gaviria nicht unter den vielen Todesopfern. Was das Kartell damals aber nicht wusste: Unter den Todesopfern befanden sich einige US-Bürger (total befanden sich über 100 Passagiere im Flugzeug). Dies war der Zeitpunkt für die USA einzugreifen und den Präsidenten Gaviria zu unterstützen.
Ausnahmezustand herrscht in Kolumbien. Der Präsident, Cesar Gaviria organisiert eine Elitetruppe, welche nur eine Aufgabe hat: Den Kampf gegen das Medellín Drogenkartell. Die Sondereinheit hat den Namen “Bloque de Busqueda”, was so viel heisst wie Blockfahndung. Auf den Strassen von Medellín herrscht Krieg. US-amerikanische Radarflugzeuge fliegen über Medellín und unterstützen die Bodentruppen. Die USA will die Attentäter zur Rechenschaft ziehen, welche das Attentat auf unschuldige amerikanische Bürger ausgeübt haben. Das mächtige und schwerreiche Kartell von Medellín ist aber sehr gut organisiert und investiert viel in diesen Krieg. Zum Höhepunkt dieser Eskalation kommt es aber, als Pablo Escobar sich an die Medien mit folgender Aussage wendet: “Diejenige Person, welche mir einen toten Polizisten bringt, erhält 1 Million kolumbianische Pesos”. Ab diesem Moment gehen sogar normale Bürger auf die Polizisten los und verlangen von den Kartellkillern die Auszahlung ihres Honorars. Einer dieser Killer ist John Jairo Velásquez Vásquez, alias “Popeye”. Er ist einer der brutalsten Killern des Kartells (für 300 Morde und 3000 Mordaufträge wird der Kolumbianer später mehr als zwei Jahrzehnte hinter Gitter sitzen).
Das grausame Szenario in Kolumbien, v.a. in Medellín neigt sich dem Ende. Da Pablo Escobar spürt, dass die Zusammenarbeit (v.a. bezgl. Auslieferung) mit der USA immer stärker wird, trifft er mit der Regierung ein Abkommen: Er geht “freiwillig” ins Gefängnis, im Gegenzug muss ihm die Regierung versprechen, ihn und das Kartell nicht an die USA auszuliefern. Was die Öffentlichkeit aber nicht weiss: Das Gefängnis, genannt auch „Die Kathedrale“ wird von Pablo Escobar errichtet und verwaltet. Er ist der Herr der Kathedrale, welche sich an seinem Heimatort befindet (Gemeinde von Envigado). Für die Sicherheit sind mehrere Institutionen zuständig. Den ersten Ring schützt die Armee. Der zweite Ring wird von einer Elitetruppe der Polizei bewacht. Für den dritten Ring ist die INPEC zuständig. INPEC ist in Kolumbien für die Sicherheit der Gefängnisse zuständig. Im vierten Ring sorgen die eigenen Kartellkiller für die Sicherheit des Barons.
Ich arbeite zu dieser Zeit bei der Staatsanwaltschaft von Medellín. Unsere Abteilung ist für Disziplinarverfahren gegen Beamte jeglicher Art (Regierung, Polizei, Armee, etc.) zuständig. Eine Arbeitskollegin und ich haben den Auftrag erhalten in das Gefängnis von Pablo Escobar zu gehen und die Bücher betreffend Besucherregister zu kopieren und zu überprüfen. Wir müssen prüfen, ob „La Quica“, Pablo Escobar im Gefängnis besucht hat. “La Quica” wird 1991 in den Staaten festgenommen und ist zu diesem Zeitpunkt Hauptverdächtiger in einem Prozess. Die US-Behörden beschuldigen ihn, das Attentat von 1989 (Fluggesellschaft Avianca), begangen zu haben. Ich arbeite zu dieser Zeit bei der Staatsanwaltschaft von Medellín. Unsere Abteilung ist für Disziplinarverfahren gegen Beamte jeglicher Art (Regierung, Polizei, Armee, etc.) zuständig. Eine Arbeitskollegin und ich haben den Auftrag erhalten in das “Gefängnis” von Pablo Escobar zu gehen und die Bücher betreffend Besucherregister zu kopieren und zu überprüfen. Wir müssen prüfen, ob ein gewisser “La Quica”, Pablo Escobar im Gefängnis besucht hat. “La Quica” wird 1991 in den Staaten festgenommen und ist zu diesem Zeitpunkt Hauptverdächtiger in einem Prozess. Die US-Behörden beschuldigen ihn, das Attentat von 1989 (Fluggesellschaft Avianca), begangen zu haben.
Unsere Aktion “Suche im Besucherregister nach La Quica” sollte total geheim bleiben. Der oberste Ermittler von Medellín hat uns mitgeteilt, dass wir mit niemandem vom Büro über diese Angelegenheit sprechen sollten. An einem Freitag besuchen wir die IV-Brigade der kolumbianischen Armee in Medellín. Wir benötigen vom obersten General eine Bewilligung um das Gefängnis von Pablo Escobar zu besuchen. Die IV-Brigade war für die externe Sicherheit des Gefängnisses “La Catedral” verantwortlich.
Der General der IV-Brigade hat uns gesagt, dass ein Besuch dort “lebensgefährlich“ sei. Niemand wusste wie Pablo Escobar auf unseren Besuch reagieren würde. Wird Pablo Escobar seinen Killer befehlen uns zu töten? Werden wir als Geiseln genommen? Oder können wir unsere Arbeit in Ruhe erledigen und dann wieder gehen? Niemand wusste es, denn Pablo Escobar ist unberechenbar. Wir verschweigen gegenüber dem General aber, was unsere Hauptaufgabe ist. Der General gibt uns die Bewilligung und sagte: “Ich kann nicht für Eure Sicherheit innerhalb des Gefängnisses garantieren. Wir sind nur für die externe Sicherheit zuständig...”. Wir wussten genau, dass weder die Armee, noch die Polizei uns von Pablo Escobar schützen konnte. Der General sprach mit einem Captain der Armee und erteilte ihm den Befehl uns morgen um 7.00 Uhr abzuholen und zum Gefängnis zu fahren.
Am nächsten Tag werden meine Arbeitskollegin und ich um 7.00 Uhr im Büro abgeholt. Unser Chef sagte uns, dass er im Büro auf uns warten wird. Über unsere Tätigkeit wird ebenfalls der Generalprokurist des Landes informiert. Sie machen sich Sorgen um unsere Sicherheit.
Ich muss noch hinzufügen, dass es zu dieser Zeit keine Mobiltelefone gab. Als Kommunikationsmittel standen nur das Funkradio des Militärs oder das Gefängnistelefon zur Verfügung. Wir machen uns auf den Weg nach Envigado. Dort steht das Gefängnis von Pablo Escobar “La Catedral”. Das Gefängnis ist sehr abgelegen und wird von Bergen und von einem riesigen Wald umgeben. Unser Auto wird von einem Elitesoldaten gefahren. Er und der Captain besitzen beide eine 9mm Pistole. Der Captain war zudem noch mit einem israelischen Gewehr (Galil) bewaffnet. Meine Kollegin und ich durften lediglich eine Identitätskarte und die Bewilligung des Militärs mitnehmen...
Wir haben nur eine Identitätskarte und eine Eintrittsbewilligung für das Gefängnis dabei. Eine Stunde später erreichen wir den ersten Sicherheitsring des Gefängnisses. Dieser Sicherheitsring wird von Soldaten bewacht. Für weiteren Schutz sorgt ein grosser Zaun und eine riesige Türe. Wir stellen uns dem Militär vor und weisen uns aus. Da die Bewilligung des Generals der IV-Brigade noch erteilt werden muss, blieb uns nichts anderes übrig, als vor dem Eingang zu warten. Nach langen Diskussionen am Telefon haben wir die Erlaubnis dann doch noch erhalten. Was uns aber niemand gesagt hat: Die Kopiermaschine befindet sich in der Direktion des Gefängnisses, wo sich Pablo Escobar und seine Männer (wie wir später erfahren werden) immer aufhielten. Nachdem wir die Besucherregister des Militärs erhalten haben, bekommen wir am Unterarm einen unsichtbaren Stempel. Dieser wird nur durch ein Schwarzlicht sichtbar.
Die Soldaten öffnen die Tür und lassen uns in den nächsten Sicherheitsring rein, welcher von den Polizisten bewacht wird. Auch hier werden wir überprüft und erhalten einen weiteren unsichtbaren Stempel auf den anderen Unterarm. Nachdem wir auch das Besucherregister von der Polizei erhalten haben, öffnen sie das grosse Gitter und die Eingangstüren zur „La Catedral“. Die Polizei hat uns noch mitgeteilt, dass wir das Gitter besser nicht anfassen sollten. Es steht nämlich permanent unter Strom.
Als wir den Sicherheitsring passieren, werden wir vom Gefängnisdirektor Jorge Pataquiva empfangen. Für seinen Schutz sorgen Polizisten, welche mit Maschinengewehren (Galil) und Granaten ausgerüstet sind. Diese Polizisten bilden die Elitetruppe, welche von der USA und den Britten ausgebildet wurde. Der Direktor weiss bereits, dass wir Funktionäre der kolumbianischen Staatsanwaltschaft sind. Zusammen mit ihm werden wir vom zweiten Sicherheitsring mit einem Jeep zum Gefängnis „La Catedral“ gebracht. Er hat uns während der Fahrt beruhigt und uns gesagt, dass sich Pablo Escobar im Garten des “Gefängnisses” befindet. Es ist alles ruhig und wir müssen uns keine Sorgen machen. Wenn mich jemand in diesem Moment fragen würde, ob ich Angst gehabt habe: Ja, ich habe grosse Angst gehabt. Es war im ganzen Land bekannt, dass jede Begegnung mit Pablo Escobar problemlos die letzte Begegnung gewesen sein könnte. Damals sind alle Richter, Funktionäre, Kriminalbeamte, Polizisten, usw. (welche eine Untersuchung oder ein Verfahren gegen Pablo Escobar geführt haben), ermordet worden. Als wird das Gebäude dann erreichen, werden wir von einer Person empfangen. Direkt vor uns stand er: Der gefährlichste Drogenbaron der Welt. Er hat eine Jeanshose und einen grünen Pullover an. Zudem sieht er extrem gepflegt aus, was für einen Gefangenen nicht selbstverständlich ist. Für seinen Schutz sorgen vier Wachen der INPEC, welche ebenfalls schwer bewaffnet sind.
Pablo Escobar kommt zu uns und begrüsst uns mit unseren Namen: «Buenos dias señor y señora, desde ayer los estabamos esperando» (wir haben seit gestern auf Euch gewartet). Wir waren in diesem Moment geschockt. Unser Auftrag war geheim und nur wenige Menschen wussten davon. Für uns bedeutete das, dass das Drogenkartell alles über uns wusste. Die Begrüssung von Pablo Escobar sollte bedeuten: Wir haben die Kontrolle. Sie sind hier, weil wir es erlauben. Sie sind am Leben, weil wir es so wollen. Pablo Escobar hat uns damit aufgezeigt, wie die Hierarchie hier ist. In diesem Moment haben wir keine Zeit um mit Pablo Escobar zu diskutieren um herauszufinden, was er von uns wusste. Wir müssen schnell reagieren und keine Angst zeigen. Wir ignorieren diesen Satz bei der Begrüssung und begrüssen Pablo Escobar ohne weitere Bemerkungen zu machen. Anschliessend begeben wir uns mit dem Direktor in sein Büro (Direktion des Gefängnisses).
Pablo Escobar und seine Bewacher sind immer in unserer Nähe. Wir sprechen mit dem Direktor und erklären ihm, dass wir die Besucherregister anschauen und kopieren wollen. Weshalb wir dies machen, haben wir aber nicht gesagt. Nach einer kurzen Gesprächspause sagte Pablo Escobar in einer höflichen Art: „Wir wissen seit gestern, was Ihr Auftrag hier ist. Machen Sie einfach Ihre Aufgaben. Ich möchte aber, dass Sie folgendes Wissen: Ich habe mit dem Präsidenten von Kolumbien eine Vereinbarung unterschrieben. Ich bin freiwillig in diesem Gefängnis. Meine Männer sind freiwillig hier. Diese Abmachung hat höchste Priorität für Kolumbien. Seit wir hier sind, lebt das kolumbianische Volk in Frieden. Wir wissen aber auch, dass diese Vereinbarung viele Feinde hat, welche diesen Friedensprozess zerstören wollen“.
Die Stimme von Pablo Escobar war ruhig und kontrolliert, sie machte aber den Zuhörern grosse Angst. Wir sagen zu Pablo Escobar, dass unsere Abteilung das weiss und dass wir mit dieser Vereinbarung ebenfalls zufrieden sind. Wir wurden dann von Pablo Escobar zum Essen eingeladen. Diese Einladung haben wir aber dankend abgelehnt. Dann sagt er zu uns: „Aber Kaffee trinken Sie sicher?“ Sofort rennen zwei seiner Bewacher in die Küche und bereiten den Kaffee vor. In diesem Moment bemerken wir, dass der Direktor des Gefängnisses nur eine dekorative Figur ist.
In „La Catedral“ wird gemacht, was Pablo Escobar befiehlt. Danach führt Pablo Escobar weiter aus: „Dieser Friedensprozess hat, wie gesagt, viele Feinde. So z.B. Enrique Parejo“. Enrique Parejo war der Justizminister und wurde später zum Botschafter in Ungarn ernannt, weil seine Sicherheit in Kolumbien nicht mehr gewährleistet werden konnte. Doch auch in Ungarn konnte Enrique Parejo sich nicht vor Pablo Escobar verstecken. Das Medellín-Kartell schickt 2 Killer nach Ungarn um den Botschafter, Enrique Parejo, zu töten. Das Attentat auf ihn wurde am 13. Januar 1987 in Budapest ausgeübt. Obwohl die Sicarios dem Botschafter mehrmals ins Gesicht geschossen haben, überlebt er das Attentat. Nach einer intensiven Zusammenarbeit zwischen den ungarischen Behörden, diversen europäischen Ländern und den USA werden 3 Monate später 2 Personen (Mitglieder der ehemaligen „roten Brigaden“) in Italien festgenommen. Gegenüber Pablo Escobar war Enrique Parejo ein Staatsfeind. „Wissen Sie, Parejo sagt immer, dass ich ihn töten will. Das stimmt nicht. Ich bete für ihn, damit ihm nichts passieren wird oder besser gesagt, meine Mutter betet für ihn. Wenn ihn jemand ermorden würde, würden die Menschen sicherlich mich beschuldigen“.
Nach dieser Aussage macht Pablo Escobar eine kleine Pause und fügt hinzu: „Parejo hat keine Macht mehr, er hat nur eine lose Zunge, aber Maza Márquez ist gefährlich, weil er eine grosse Macht hat“. Maza Márquez ist der Direktor des Geheimdienstes DAS. Am 6. Dezember 1989 wird auch gegen ihn ein Attentat verübt. Vor dem Gebäude der DAS, in der Hauptstadt Bogotá, detoniert eine „Lastwagenbombe“. Bei diesem Attentat sterben viele unschuldige Zivilisten. Das Gebäude des Geheimdienstes wurde fast komplett zerstört. Maza Márquez überlebt das Attentat, weil er sich zu dieser Zeit in seinem Büro im obersten Stockwerk befand. Dieses Büro war kein gewöhnliches Büro, vielmehr ein Bunker.
Pablo Escobar unterbricht kurz und erzählt dann weiter: „Der Präsident muss Maza Márquez kontrollieren. Wenn nicht, dann wird der Krieg wieder beginnen. Ich bin sehr friedlich und wollte eine grosse Industrie in Kolumbien aufbauen. Es gibt viele Geschichten über mich und mein Vermögen, welche nicht stimmen. Ich war z.B. seit langem in der Fischindustrie in Peru tätigt, bis ich vom Staat und den USA angegriffen wurde. Deshalb war ich gezwungen, mich gegen sie zur Wehr zu setzen“.
Als wir diese Geschichte betreffend die angebliche Fischindustrie gehört haben (und Pablo Escobar sich als Opfer des Staats bezeichnet hat), haben wir natürlich gemerkt, dass alles gelogen ist. Pablo Escobar ignoriert, bzw. rechtfertigt so seinen Drogenhandel, seine angeordneten Massaker und die Terroranschläge. Während Pablo Escobar gesprochen hat, waren natürlich alle (der Direktor, die Wachen und wir) still. Es fühlte sich wie eine Mischung aus Respekt und Angst an. Wir haben uns auch nicht getraut ihn zu unterbrechen und Fragen zu stellen.
In der Zwischenzeit wurden die Besuchsbücher des Gefängnisses kopiert. Danach hat uns Pablo Escobar gefragt, ob wir mit ihm frühstücken möchten? Wir haben dankend abgelehnt. Daraufhin sagt er: „Machen Sie sich keine Sorgen. Sehen Sie die Militärs unten, auch sie nehmen das Frühstück gerade zu sich. Aber Kaffee, Kaffee trinken Sie sicher…“. Kurze Zeit später, haben wir alle einen Kaffee getrunken.
Im Verlaufe der nächsten Stunden kamen immer mehr Personen in das Gefängnis. Uns wurde mitgeteilt, dass heute Besuchstag sei. Einige Frauen und Männer sind zur Direktion vorbeigekommen und haben Pablo Escobar begrüsst: „Guten Morgen, Doktor“. Pablo Escobar begrüsst die Gäste mit einem Handschlag. Die Besucher begaben sich dann unverzüglich zu den anderen Sicarios. Viele Frauen die Pablo Escobar im „Gefängnis“ besuchen sind Models (diese Schönheiten stehen zudem permanent dem Medellin Kartell zur Verfügung). Wir haben dann mit dem Direktor des Gefängnisses gesprochen und ihm mitgeteilt, dass wir unseren Vorgesetzten anrufen müssen, da dieser nämlich auf unseren Anruf wartet. Der Direktor schaut Pablo Escobar an und wartet auf seine Genehmigung. Pablo Escobar nickte, was einer Autorisierung gleichkommt.
Meine Arbeitskollegin und ich verlassen in Begleitung des Direktors die Direktion und begeben uns zum Fitnessraum. Der Fitnessraum war mit den neuesten Fitnessgeräten ausgerüstet, welche wir nie zuvor gesehen haben. Der Direktor übergibt uns ein Satellitentelefon. Es war das erste Mal, dass wir ein Satellitentelefon gesehen und in den Händen gehalten haben. Dies war das persönliche Telefon von Pablo Escobar. Zu dieser Zeit verfügte nicht einmal die Regierung, die Polizei oder die Armee über ein Satellitentelefon.
Wir haben schliesslich unseren Vorgesetzten erreicht und mit ihm gesprochen. Wir erzählten ihm, wie die Lage im „Gefängnis“ ist und, dass wir immer wieder in die Direktion gehen müssen, da sich dort der Fotokopierer befindet. Zudem ist Pablo Escobar auch immer anwesend und beobachtet uns passiv. Unser Chef war für kurze Zeit sprachlos. Nachdem er sich gefangen hat, sagt er uns, dass wir mit der Arbeit weiter machen sollen, diese schnellstmöglich erledigen und die „La Catedral“ danach sofort verlassen müssen. Als das Gespräch beendet war, begeben wir uns wieder zur Direktion. Pablo Escobar befand sich zu dieser Zeit immer noch in der Direktion. Als wir mit dem Fotokopieren fertig waren, sagte er zu uns: „Machen wir doch zusammen eine Runde und lassen wir uns davon überzeugen, dass hier alles in Ordnung ist und dass hier kein Luxus existiert. Was die Medien geschrieben haben, stimmt nicht“.
Der Direktor, Pablo Escobar und vier seiner persönlichen Bewacher (INPEC), begleiten uns beim Rundgang. Ich bemerke sofort Roberto Escobar Gaviria, den Bruder von Pablo Escobar. Neben Roberto Escobar stand Jhon Jairo Velásquez auch bekannt als „Popeye“. Popeye war der Anführer der Sicarios des Kartells von Medellín. Er personifiziert den Terror, welcher in den 80er/90er Jahren in Kolumbien herrschte. Popeye wird später bei diversen Interviews bestätigen, dass er selber mehr als 300 Morde begangen hat. Zudem hat er über 3‘000 weitere Morde in Auftrag gegeben und mehr als 250 Auto-, bzw. Lastwagenbomben-Attentate in ganz Kolumbien ausgeübt. Selbst die anderen Kartelle von Cali oder Bogotá haben Angst vor Popeye. Später sehen wir auch Carlos Aguilar, alias „el Mugre“ (der Schmutz). Genau wie „Popeye“ war auch „el Mugre“ ein vertraulicher Sicario von Pablo Escobar. Roberto Escobar und die Sicarios begrüssen uns und stellen uns die Frage: „Arbeiten Sie bei der Staatsanwaltschaft?“.
Das Drogenkartell von Medellín, welches damals auch „Los Extraditables“ genannt wird, ist eine gefährliche und skrupellose Organisation. Der Anführer dieser Organisation ist Pablo Emilio Escobar Gaviria. Die grösste Angst des Medellín Kartells ist die Auslieferung an die USA.
Politisch gewinnt die “Neue Linke Partei” zu dieser Zeit immer mehr an Macht. Ihr Hauptanliegen ist es Kolumbien von den Drogenkartellen zu befreien und die Barone an die USA auszuliefern. Der Präsident des Landes kann die Auslieferung mit der Zustimmung des Bundesgerichtes veranlassen. Die Kartelle führen deshalb den Krieg unter dem Motto: „Lieber ein Grab in Kolumbien als ein Gefängnis in USA“. Bei den Wahlen 1989 kommt der Top-Kandidat der Präsidentschaftswahlen, Luis Carlos Galan, bei einem Attentat ums Leben. Galan hat gegen die Drogenkartelle und insbesondere für die Auslieferung der Verbrecher gekämpft. Nach seinem Tod stellt die “Neue Liberale Partei” einen neuen Kandidaten zur Wahl des Präsidenten auf. Cesar Gaviria übernimmt die Führung und wird wie sein Vorgänger zum Top-Kandidaten. Im Jahr 1989 wird Gaviria fast Opfer eines Attentats. Das Kartell von Medellín hat in einem Flugzeug der Avianca Fluggesellschaft eine Bombe platziert. Nach Information des Kartells sollte sich Cesar Gaviria an Bord dieses Fluges befinden. Die Bombe detonierte, jedoch befand sich Cesar Gaviria nicht unter den vielen Todesopfern. Was das Kartell damals aber nicht wusste: Unter den Todesopfern befanden sich einige US-Bürger (total befanden sich über 100 Passagiere im Flugzeug). Dies war der Zeitpunkt für die USA einzugreifen und den Präsidenten Gaviria zu unterstützen.
Ausnahmezustand herrscht in Kolumbien. Der Präsident, Cesar Gaviria organisiert eine Elitetruppe, welche nur eine Aufgabe hat: Den Kampf gegen das Medellín Drogenkartell. Die Sondereinheit hat den Namen “Bloque de Busqueda”, was so viel heisst wie Blockfahndung. Auf den Strassen von Medellín herrscht Krieg. US-amerikanische Radarflugzeuge fliegen über Medellín und unterstützen die Bodentruppen. Die USA will die Attentäter zur Rechenschaft ziehen, welche das Attentat auf unschuldige amerikanische Bürger ausgeübt haben. Das mächtige und schwerreiche Kartell von Medellín ist aber sehr gut organisiert und investiert viel in diesen Krieg. Zum Höhepunkt dieser Eskalation kommt es aber, als Pablo Escobar sich an die Medien mit folgender Aussage wendet: “Diejenige Person, welche mir einen toten Polizisten bringt, erhält 1 Million kolumbianische Pesos”. Ab diesem Moment gehen sogar normale Bürger auf die Polizisten los und verlangen von den Kartellkillern die Auszahlung ihres Honorars. Einer dieser Killer ist John Jairo Velásquez Vásquez, alias “Popeye”. Er ist einer der brutalsten Killern des Kartells (für 300 Morde und 3000 Mordaufträge wird der Kolumbianer später mehr als zwei Jahrzehnte hinter Gitter sitzen).
Das grausame Szenario in Kolumbien, v.a. in Medellín neigt sich dem Ende. Da Pablo Escobar spürt, dass die Zusammenarbeit (v.a. bezgl. Auslieferung) mit der USA immer stärker wird, trifft er mit der Regierung ein Abkommen: Er geht “freiwillig” ins Gefängnis, im Gegenzug muss ihm die Regierung versprechen, ihn und das Kartell nicht an die USA auszuliefern. Was die Öffentlichkeit aber nicht weiss: Das Gefängnis, genannt auch „Die Kathedrale“ wird von Pablo Escobar errichtet und verwaltet. Er ist der Herr der Kathedrale, welche sich an seinem Heimatort befindet (Gemeinde von Envigado). Für die Sicherheit sind mehrere Institutionen zuständig. Den ersten Ring schützt die Armee. Der zweite Ring wird von einer Elitetruppe der Polizei bewacht. Für den dritten Ring ist die INPEC zuständig. INPEC ist in Kolumbien für die Sicherheit der Gefängnisse zuständig. Im vierten Ring sorgen die eigenen Kartellkiller für die Sicherheit des Barons.
Ich arbeite zu dieser Zeit bei der Staatsanwaltschaft von Medellín. Unsere Abteilung ist für Disziplinarverfahren gegen Beamte jeglicher Art (Regierung, Polizei, Armee, etc.) zuständig. Eine Arbeitskollegin und ich haben den Auftrag erhalten in das Gefängnis von Pablo Escobar zu gehen und die Bücher betreffend Besucherregister zu kopieren und zu überprüfen. Wir müssen prüfen, ob „La Quica“, Pablo Escobar im Gefängnis besucht hat. “La Quica” wird 1991 in den Staaten festgenommen und ist zu diesem Zeitpunkt Hauptverdächtiger in einem Prozess. Die US-Behörden beschuldigen ihn, das Attentat von 1989 (Fluggesellschaft Avianca), begangen zu haben. Ich arbeite zu dieser Zeit bei der Staatsanwaltschaft von Medellín. Unsere Abteilung ist für Disziplinarverfahren gegen Beamte jeglicher Art (Regierung, Polizei, Armee, etc.) zuständig. Eine Arbeitskollegin und ich haben den Auftrag erhalten in das “Gefängnis” von Pablo Escobar zu gehen und die Bücher betreffend Besucherregister zu kopieren und zu überprüfen. Wir müssen prüfen, ob ein gewisser “La Quica”, Pablo Escobar im Gefängnis besucht hat. “La Quica” wird 1991 in den Staaten festgenommen und ist zu diesem Zeitpunkt Hauptverdächtiger in einem Prozess. Die US-Behörden beschuldigen ihn, das Attentat von 1989 (Fluggesellschaft Avianca), begangen zu haben.
Unsere Aktion “Suche im Besucherregister nach La Quica” sollte total geheim bleiben. Der oberste Ermittler von Medellín hat uns mitgeteilt, dass wir mit niemandem vom Büro über diese Angelegenheit sprechen sollten. An einem Freitag besuchen wir die IV-Brigade der kolumbianischen Armee in Medellín. Wir benötigen vom obersten General eine Bewilligung um das Gefängnis von Pablo Escobar zu besuchen. Die IV-Brigade war für die externe Sicherheit des Gefängnisses “La Catedral” verantwortlich.
Der General der IV-Brigade hat uns gesagt, dass ein Besuch dort “lebensgefährlich“ sei. Niemand wusste wie Pablo Escobar auf unseren Besuch reagieren würde. Wird Pablo Escobar seinen Killer befehlen uns zu töten? Werden wir als Geiseln genommen? Oder können wir unsere Arbeit in Ruhe erledigen und dann wieder gehen? Niemand wusste es, denn Pablo Escobar ist unberechenbar. Wir verschweigen gegenüber dem General aber, was unsere Hauptaufgabe ist. Der General gibt uns die Bewilligung und sagte: “Ich kann nicht für Eure Sicherheit innerhalb des Gefängnisses garantieren. Wir sind nur für die externe Sicherheit zuständig...”. Wir wussten genau, dass weder die Armee, noch die Polizei uns von Pablo Escobar schützen konnte. Der General sprach mit einem Captain der Armee und erteilte ihm den Befehl uns morgen um 7.00 Uhr abzuholen und zum Gefängnis zu fahren.
Am nächsten Tag werden meine Arbeitskollegin und ich um 7.00 Uhr im Büro abgeholt. Unser Chef sagte uns, dass er im Büro auf uns warten wird. Über unsere Tätigkeit wird ebenfalls der Generalprokurist des Landes informiert. Sie machen sich Sorgen um unsere Sicherheit.
Ich muss noch hinzufügen, dass es zu dieser Zeit keine Mobiltelefone gab. Als Kommunikationsmittel standen nur das Funkradio des Militärs oder das Gefängnistelefon zur Verfügung. Wir machen uns auf den Weg nach Envigado. Dort steht das Gefängnis von Pablo Escobar “La Catedral”. Das Gefängnis ist sehr abgelegen und wird von Bergen und von einem riesigen Wald umgeben. Unser Auto wird von einem Elitesoldaten gefahren. Er und der Captain besitzen beide eine 9mm Pistole. Der Captain war zudem noch mit einem israelischen Gewehr (Galil) bewaffnet. Meine Kollegin und ich durften lediglich eine Identitätskarte und die Bewilligung des Militärs mitnehmen...
Wir haben nur eine Identitätskarte und eine Eintrittsbewilligung für das Gefängnis dabei. Eine Stunde später erreichen wir den ersten Sicherheitsring des Gefängnisses. Dieser Sicherheitsring wird von Soldaten bewacht. Für weiteren Schutz sorgt ein grosser Zaun und eine riesige Türe. Wir stellen uns dem Militär vor und weisen uns aus. Da die Bewilligung des Generals der IV-Brigade noch erteilt werden muss, blieb uns nichts anderes übrig, als vor dem Eingang zu warten. Nach langen Diskussionen am Telefon haben wir die Erlaubnis dann doch noch erhalten. Was uns aber niemand gesagt hat: Die Kopiermaschine befindet sich in der Direktion des Gefängnisses, wo sich Pablo Escobar und seine Männer (wie wir später erfahren werden) immer aufhielten. Nachdem wir die Besucherregister des Militärs erhalten haben, bekommen wir am Unterarm einen unsichtbaren Stempel. Dieser wird nur durch ein Schwarzlicht sichtbar.
Die Soldaten öffnen die Tür und lassen uns in den nächsten Sicherheitsring rein, welcher von den Polizisten bewacht wird. Auch hier werden wir überprüft und erhalten einen weiteren unsichtbaren Stempel auf den anderen Unterarm. Nachdem wir auch das Besucherregister von der Polizei erhalten haben, öffnen sie das grosse Gitter und die Eingangstüren zur „La Catedral“. Die Polizei hat uns noch mitgeteilt, dass wir das Gitter besser nicht anfassen sollten. Es steht nämlich permanent unter Strom.
Als wir den Sicherheitsring passieren, werden wir vom Gefängnisdirektor Jorge Pataquiva empfangen. Für seinen Schutz sorgen Polizisten, welche mit Maschinengewehren (Galil) und Granaten ausgerüstet sind. Diese Polizisten bilden die Elitetruppe, welche von der USA und den Britten ausgebildet wurde. Der Direktor weiss bereits, dass wir Funktionäre der kolumbianischen Staatsanwaltschaft sind. Zusammen mit ihm werden wir vom zweiten Sicherheitsring mit einem Jeep zum Gefängnis „La Catedral“ gebracht. Er hat uns während der Fahrt beruhigt und uns gesagt, dass sich Pablo Escobar im Garten des “Gefängnisses” befindet. Es ist alles ruhig und wir müssen uns keine Sorgen machen. Wenn mich jemand in diesem Moment fragen würde, ob ich Angst gehabt habe: Ja, ich habe grosse Angst gehabt. Es war im ganzen Land bekannt, dass jede Begegnung mit Pablo Escobar problemlos die letzte Begegnung gewesen sein könnte. Damals sind alle Richter, Funktionäre, Kriminalbeamte, Polizisten, usw. (welche eine Untersuchung oder ein Verfahren gegen Pablo Escobar geführt haben), ermordet worden. Als wird das Gebäude dann erreichen, werden wir von einer Person empfangen. Direkt vor uns stand er: Der gefährlichste Drogenbaron der Welt. Er hat eine Jeanshose und einen grünen Pullover an. Zudem sieht er extrem gepflegt aus, was für einen Gefangenen nicht selbstverständlich ist. Für seinen Schutz sorgen vier Wachen der INPEC, welche ebenfalls schwer bewaffnet sind.
Pablo Escobar kommt zu uns und begrüsst uns mit unseren Namen: «Buenos dias señor y señora, desde ayer los estabamos esperando» (wir haben seit gestern auf Euch gewartet). Wir waren in diesem Moment geschockt. Unser Auftrag war geheim und nur wenige Menschen wussten davon. Für uns bedeutete das, dass das Drogenkartell alles über uns wusste. Die Begrüssung von Pablo Escobar sollte bedeuten: Wir haben die Kontrolle. Sie sind hier, weil wir es erlauben. Sie sind am Leben, weil wir es so wollen. Pablo Escobar hat uns damit aufgezeigt, wie die Hierarchie hier ist. In diesem Moment haben wir keine Zeit um mit Pablo Escobar zu diskutieren um herauszufinden, was er von uns wusste. Wir müssen schnell reagieren und keine Angst zeigen. Wir ignorieren diesen Satz bei der Begrüssung und begrüssen Pablo Escobar ohne weitere Bemerkungen zu machen. Anschliessend begeben wir uns mit dem Direktor in sein Büro (Direktion des Gefängnisses).
Pablo Escobar und seine Bewacher sind immer in unserer Nähe. Wir sprechen mit dem Direktor und erklären ihm, dass wir die Besucherregister anschauen und kopieren wollen. Weshalb wir dies machen, haben wir aber nicht gesagt. Nach einer kurzen Gesprächspause sagte Pablo Escobar in einer höflichen Art: „Wir wissen seit gestern, was Ihr Auftrag hier ist. Machen Sie einfach Ihre Aufgaben. Ich möchte aber, dass Sie folgendes Wissen: Ich habe mit dem Präsidenten von Kolumbien eine Vereinbarung unterschrieben. Ich bin freiwillig in diesem Gefängnis. Meine Männer sind freiwillig hier. Diese Abmachung hat höchste Priorität für Kolumbien. Seit wir hier sind, lebt das kolumbianische Volk in Frieden. Wir wissen aber auch, dass diese Vereinbarung viele Feinde hat, welche diesen Friedensprozess zerstören wollen“.
Die Stimme von Pablo Escobar war ruhig und kontrolliert, sie machte aber den Zuhörern grosse Angst. Wir sagen zu Pablo Escobar, dass unsere Abteilung das weiss und dass wir mit dieser Vereinbarung ebenfalls zufrieden sind. Wir wurden dann von Pablo Escobar zum Essen eingeladen. Diese Einladung haben wir aber dankend abgelehnt. Dann sagt er zu uns: „Aber Kaffee trinken Sie sicher?“ Sofort rennen zwei seiner Bewacher in die Küche und bereiten den Kaffee vor. In diesem Moment bemerken wir, dass der Direktor des Gefängnisses nur eine dekorative Figur ist.
In „La Catedral“ wird gemacht, was Pablo Escobar befiehlt. Danach führt Pablo Escobar weiter aus: „Dieser Friedensprozess hat, wie gesagt, viele Feinde. So z.B. Enrique Parejo“. Enrique Parejo war der Justizminister und wurde später zum Botschafter in Ungarn ernannt, weil seine Sicherheit in Kolumbien nicht mehr gewährleistet werden konnte. Doch auch in Ungarn konnte Enrique Parejo sich nicht vor Pablo Escobar verstecken. Das Medellín-Kartell schickt 2 Killer nach Ungarn um den Botschafter, Enrique Parejo, zu töten. Das Attentat auf ihn wurde am 13. Januar 1987 in Budapest ausgeübt. Obwohl die Sicarios dem Botschafter mehrmals ins Gesicht geschossen haben, überlebt er das Attentat. Nach einer intensiven Zusammenarbeit zwischen den ungarischen Behörden, diversen europäischen Ländern und den USA werden 3 Monate später 2 Personen (Mitglieder der ehemaligen „roten Brigaden“) in Italien festgenommen. Gegenüber Pablo Escobar war Enrique Parejo ein Staatsfeind. „Wissen Sie, Parejo sagt immer, dass ich ihn töten will. Das stimmt nicht. Ich bete für ihn, damit ihm nichts passieren wird oder besser gesagt, meine Mutter betet für ihn. Wenn ihn jemand ermorden würde, würden die Menschen sicherlich mich beschuldigen“.
Nach dieser Aussage macht Pablo Escobar eine kleine Pause und fügt hinzu: „Parejo hat keine Macht mehr, er hat nur eine lose Zunge, aber Maza Márquez ist gefährlich, weil er eine grosse Macht hat“. Maza Márquez ist der Direktor des Geheimdienstes DAS. Am 6. Dezember 1989 wird auch gegen ihn ein Attentat verübt. Vor dem Gebäude der DAS, in der Hauptstadt Bogotá, detoniert eine „Lastwagenbombe“. Bei diesem Attentat sterben viele unschuldige Zivilisten. Das Gebäude des Geheimdienstes wurde fast komplett zerstört. Maza Márquez überlebt das Attentat, weil er sich zu dieser Zeit in seinem Büro im obersten Stockwerk befand. Dieses Büro war kein gewöhnliches Büro, vielmehr ein Bunker.
Pablo Escobar unterbricht kurz und erzählt dann weiter: „Der Präsident muss Maza Márquez kontrollieren. Wenn nicht, dann wird der Krieg wieder beginnen. Ich bin sehr friedlich und wollte eine grosse Industrie in Kolumbien aufbauen. Es gibt viele Geschichten über mich und mein Vermögen, welche nicht stimmen. Ich war z.B. seit langem in der Fischindustrie in Peru tätigt, bis ich vom Staat und den USA angegriffen wurde. Deshalb war ich gezwungen, mich gegen sie zur Wehr zu setzen“.
Als wir diese Geschichte betreffend die angebliche Fischindustrie gehört haben (und Pablo Escobar sich als Opfer des Staats bezeichnet hat), haben wir natürlich gemerkt, dass alles gelogen ist. Pablo Escobar ignoriert, bzw. rechtfertigt so seinen Drogenhandel, seine angeordneten Massaker und die Terroranschläge. Während Pablo Escobar gesprochen hat, waren natürlich alle (der Direktor, die Wachen und wir) still. Es fühlte sich wie eine Mischung aus Respekt und Angst an. Wir haben uns auch nicht getraut ihn zu unterbrechen und Fragen zu stellen.
In der Zwischenzeit wurden die Besuchsbücher des Gefängnisses kopiert. Danach hat uns Pablo Escobar gefragt, ob wir mit ihm frühstücken möchten? Wir haben dankend abgelehnt. Daraufhin sagt er: „Machen Sie sich keine Sorgen. Sehen Sie die Militärs unten, auch sie nehmen das Frühstück gerade zu sich. Aber Kaffee, Kaffee trinken Sie sicher…“. Kurze Zeit später, haben wir alle einen Kaffee getrunken.
Im Verlaufe der nächsten Stunden kamen immer mehr Personen in das Gefängnis. Uns wurde mitgeteilt, dass heute Besuchstag sei. Einige Frauen und Männer sind zur Direktion vorbeigekommen und haben Pablo Escobar begrüsst: „Guten Morgen, Doktor“. Pablo Escobar begrüsst die Gäste mit einem Handschlag. Die Besucher begaben sich dann unverzüglich zu den anderen Sicarios. Viele Frauen die Pablo Escobar im „Gefängnis“ besuchen sind Models (diese Schönheiten stehen zudem permanent dem Medellin Kartell zur Verfügung). Wir haben dann mit dem Direktor des Gefängnisses gesprochen und ihm mitgeteilt, dass wir unseren Vorgesetzten anrufen müssen, da dieser nämlich auf unseren Anruf wartet. Der Direktor schaut Pablo Escobar an und wartet auf seine Genehmigung. Pablo Escobar nickte, was einer Autorisierung gleichkommt.
Meine Arbeitskollegin und ich verlassen in Begleitung des Direktors die Direktion und begeben uns zum Fitnessraum. Der Fitnessraum war mit den neuesten Fitnessgeräten ausgerüstet, welche wir nie zuvor gesehen haben. Der Direktor übergibt uns ein Satellitentelefon. Es war das erste Mal, dass wir ein Satellitentelefon gesehen und in den Händen gehalten haben. Dies war das persönliche Telefon von Pablo Escobar. Zu dieser Zeit verfügte nicht einmal die Regierung, die Polizei oder die Armee über ein Satellitentelefon.
Wir haben schliesslich unseren Vorgesetzten erreicht und mit ihm gesprochen. Wir erzählten ihm, wie die Lage im „Gefängnis“ ist und, dass wir immer wieder in die Direktion gehen müssen, da sich dort der Fotokopierer befindet. Zudem ist Pablo Escobar auch immer anwesend und beobachtet uns passiv. Unser Chef war für kurze Zeit sprachlos. Nachdem er sich gefangen hat, sagt er uns, dass wir mit der Arbeit weiter machen sollen, diese schnellstmöglich erledigen und die „La Catedral“ danach sofort verlassen müssen. Als das Gespräch beendet war, begeben wir uns wieder zur Direktion. Pablo Escobar befand sich zu dieser Zeit immer noch in der Direktion. Als wir mit dem Fotokopieren fertig waren, sagte er zu uns: „Machen wir doch zusammen eine Runde und lassen wir uns davon überzeugen, dass hier alles in Ordnung ist und dass hier kein Luxus existiert. Was die Medien geschrieben haben, stimmt nicht“.
Der Direktor, Pablo Escobar und vier seiner persönlichen Bewacher (INPEC), begleiten uns beim Rundgang. Ich bemerke sofort Roberto Escobar Gaviria, den Bruder von Pablo Escobar. Neben Roberto Escobar stand Jhon Jairo Velásquez auch bekannt als „Popeye“. Popeye war der Anführer der Sicarios des Kartells von Medellín. Er personifiziert den Terror, welcher in den 80er/90er Jahren in Kolumbien herrschte. Popeye wird später bei diversen Interviews bestätigen, dass er selber mehr als 300 Morde begangen hat. Zudem hat er über 3‘000 weitere Morde in Auftrag gegeben und mehr als 250 Auto-, bzw. Lastwagenbomben-Attentate in ganz Kolumbien ausgeübt. Selbst die anderen Kartelle von Cali oder Bogotá haben Angst vor Popeye. Später sehen wir auch Carlos Aguilar, alias „el Mugre“ (der Schmutz). Genau wie „Popeye“ war auch „el Mugre“ ein vertraulicher Sicario von Pablo Escobar. Roberto Escobar und die Sicarios begrüssen uns und stellen uns die Frage: „Arbeiten Sie bei der Staatsanwaltschaft?“.